Was für ein außergewöhnlicher Tag!!!!!!

16. 
April
2023

Chermont nach Lüttich, 28 km, Reine Gehzeit 7 Stunden, 8 bis 11 Grad, Nebel und Regen

Wegstrecke: Chermont sur Berwinne, Thimistr-Clemont, Battice, Herve, Soumgne, Evegnee, Salve, Bellair, Jupille und Liege / Lüttich

Als ich das Rollo in meinem Zimmer auf machte, war Draußen dichter Nebel. Das erste mal auf meiner Reise. Ich ging zum Frühstück um mich verwöhnen zu lassen. Reneé und Jacques unterhielten sich mit mir über mein nächstes Reiseziel Lüttich. Die in meinem Unterlagen gangebene Telefonummer schien veraltet zu sein. "Sollte ich auf Verdacht dorthin gehen?" Die Adresse lag auf der anderen Seite der Stadt, hoch über der Maas. Ich wusste es nicht. Ansonsten blieb mir nur ein Hostel oder wieder ein Kloster, deren Lage ich noch nicht kannte.

Nachdem die Formalitäten erledigt waren ging es an das Abschiednehmen. Die wenigen Meter bis zum Zentrum des Ortes hatte ich schnell in Angriff genommen. Da ich noch eine paar Fotos machen wollte. Nach 20 Minuten, merkte ich, das der Regen doch stärker war wie angenommen. Er sollte wie der Nebel fast den ganzen Weg anhalten. Ich zog daher meinen Poncho an. Bald ging es auf einen RAVel. Ich kam trotz Regen gut voran. Bald kam ich an der Rückseite eines großem Supermarktes vorbei, der offen hatte. Das ist in Belgien am Sonntag keine Ausnahme. Dafür haben sie Montags meist geschlossen. Nur Lidl und Aldi, machen da wohl eine Ausnahme.

Kirche in Chermont

Das Rathaus in Chermont

Stadtzentrum Chermont

Wieder unterwegs wurde ich von zwei Radfahren auf französisch angesprochen, die erkannten das ich auf Pilgerreise bin. Die Beiden waren selbst "nur auf der Durchreise von Trondheim" zu sich nach Hause. Grob geschätzte 1700 km. Norwegen im Frühjahr ist bestimmt kein Zuckerschlecken. 

Kurz hinter Battice wurde ich aufeinmal von hinten auf deutsch angesprochen, es war ein Pilgerbruder aus Soest in Westfalen um genau zu sein. Sein Name ist Stefan Teuber. Bei Ihm sollte es aber nicht bleiben. Unsere Überraschung war groß, aber unsere Freude noch größer. Wir waren jeweils die ersten Pilger, dem Anderen folgten. Ihr könnt euch vorstellen, dass ab da die Münder nur selten stillstanden. Auch wenn das Wetter keine Anstalten machte besser zu werden, flog die Wegstrecke nur so dahin. Das lag auch an Stefan, den ich von da an nur noch Falkenauge, Pfadfinder und Pacemaker nannte. 

Pilgerbruder Stefan 

Meine Aufgabe war es schrittzuhalten. In einer der nächsten Orte, den Namen kann ich nur vermuten. gingen wir in eine Kneipe um uns vor dem Regen, bei einem Glas Bier, aus den Klamotten zu schütteln.

Stefan und ich

Stefan von hinten

Dann ging es weiter, hinter Soumagne verließ der Jakobsweg den RAVel in Richtung Felder, aber auch das hielt uns nicht wirklich auf. Bald hatten wir nach etlichen Kilometern und ebensovielen Erzählungen den ersten Vorort von Lüttich (Jupille) erreicht. Der hat aber, wie alles was ich von Lüttich gesehen hab, was nicht viel war, ein eher zwielichtiges Bild hinterlassen. Okay, es mag auch am Wetter gelegen haben. 

Aber die Stadt mit seinen grau und brauntönen, machte einen tristen und verwahrlosten Eindruck auf mich. Die Stadt hat bestimmt schon bessere Tage gesehen. Ganz anders als die schmucken Dörfer auf dem Lande. Jupille war da der Tiefpunkt. Jupille muss man sich so ein bisschen vorstellen wie eine Industriearbeiterstadt aus dem 19. Jahrhundert, nur das man seither nichts mehr daran gemacht hat. Der Ort ist vom Leerstand gekennzeichnet. Ich glaube auch das die Stadtteile rechts der Maas vernachlässigt sind.

Die Bilder sind aus der Internet-Recherche

Dort sind auch die Einwandererviertel, weil hier die Mieten erschwinglich sind. Links der Maas stehen viele Hochhäuser, die mal in den 60ziger und 70ziger mordern waren. Aber wie gesagt, viel habe ich vom Stadtzentrum nicht gesehen und die Stadt erstreckt sich links der Stadt aber weit die Hügel, mit bestimmt begehrten Immobilien.

Jupille

Stefan und ich hatten etwas Mühe ein offenes Lokal in der Stadt auf die schnelle zu finden. Wir wollten noch unseren Abschied feiern. Stefan musste noch heute mit dem Zug nach Hause. Stefan hat sich vorgenommen, die Stecke in Wochenetappen vorzunehmen. Wir gingen dann auseinander, nicht aber ohne unsere Telefonnummer auszutauschen. Au revoir Stefan

Ich hatte gesehen, dass das Kloster nur etwas mehr als einen Kilometer von meinem Standort entfernt war. Nicht lange und ich war am Kloster. Tja Pech!!!! Die Glocken riefen zu einer Gebetstunde und ich konnte die Pforte nicht finden und stand dumm herum. Da kam ein Herr in Begleitung über den Hof und winkte mich heran. War ich irgendwo, ich nicht sein sollte? Es war Jean Fleron, der nach dem ich mich kurz vorgestellte hatte, im besten Deutsch, mir alles erklärte. Das Zimmer und ein Abendessen organisierte.

Ich lernte auch bald den Geschäftsführer des Kloster Jacques Galloy, der auch mehrsprachig unterwegs ist, kennen. Wenn man so will, ist das Kloster ein Doppelkloster aus Klarissinen*, die der Welt abgewandt sind und das Haus versorgen und einer Gruppe von Beginen, ohne strenge Ordensregel und Klausur. Die sich mehr in der Armenbetreuung und in der Missionsarbeit sehen. Zudem ist das, wie man mir später erklärte, ein ein großes Heiligtum. An diesem Ort hatte die Heilige Julienne ihre Visionen zum Fronleichnam-Fest und konnte die Kirche davon überzeugen dieses anzunehnen. 

Nachdem ich mich wie so üblich in meinem Zimmer ausgebreitet hatte, wollte ich zum Essen gehen. Ich hatte aber bereits gehört, dass sich eine ganze Gruppe von Menschen unten versammelt hatte. Ich wurde mit lauten "Halleluja-Rufen " empfangen. Man klärte mich schnell auf, jeder der Anwesenden sagte in seiner Landessprache Jesus ist auferstanden und Alle antworten mit einem Halleluja. Da kamen einige Sprachen zusammen. Ich wurde gefragt ob ich mit Ihnen oder alleine essen wollte. Natürlich schloss ich mit Ihnen spontan an. Ich sollte es nicht bereuen. 

Diese Personen treffen sich zweimal im Monat um zusammen zu essen, zu reden, zu singen, zu beten und viel zu lachen. Einige leben in dieser Beginen Gemeinschaft mit Ihrer Familie im Kloster oder auch allein oder kommen sogar von außerhalb.  Ich hatte das große Glück, dabei sein zu dürfen. Ich bin selten mit so offenen Armen empfangen worden. Sie haben sehr viele herzliche Worte für einander und mich gehabt.  Auch wenn ich nicht alles verstanden habe. Es wurde aber viel gedolmetscht. Da war Fenna, eine Pilgerin aus den Niederlanden, die nach Rom wollte. Schwester Maria, die man auf der Straße niemals als Ordensschwester erkennen würde. Jacques mit seiner Frau und seinem erwachsenen Sohn. Jean und ein Pater aus dem Kongo dessen Namen ich leider vergessen habe und viele andere mehr.

Es wurde alles brüderlich geteilt. Es war Alles im allem ein unvergesslicher Abend,  als würde man sich schon lange kennen. Zum Bericht kam ich an diesem Abend nicht mehr zu Schreiben. Nach dem sich die Runde aufgelöst hatte, schlief ich glücklich und dankbar in meinem Bett ein.

* Der zweite Orden des hl. Franziskus, der Orden der Klarissen, auch Arme Klarissen oder Klarissinnen genannt wurde vom heiligen Franziskus und der heiligen Klara von Assisi gegründet. Angezogen von der Predigt des heiligen Franziskus entschloss sich Klara von Favarone zu einen Leben in der Nachfolge von Christi in evangelischer Armut zu leben.

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