Die Pilgermesse würde ich heute nicht mehr aufsuchen. Nach dem das mit dem Flug geklärt war. Ich musste oder besser, ich durfte noch einen Tag länger bleiben. Ich nahm die Gelegenheit war und ging einkaufen. Von jedem ein bisschen etwas. Vor allem Getränke. Als ich dann gegessen hatte, zog ich mich auf mein Zimmer zurück ließ mich in mein Bett fallen und schaute mir einen Film auf dem Handy an. Darüber schlief ich ein.
Dann war es soweit der Große Moment, auf dem Monte do Gozo konnte ich, wie aber Millionen Pilger zuvor, das erste Mal Santiago und die Türme der Kathedrale sehen. Erst einmal wenig spektakulär. Aber ich konnte dennoch nachvollziehen, was das für andere Pilgergenerationen bedeutet haben muss. Alles aufzugeben in der Heimat, sich zahlreichen Entbehrungen und Gefahren auszusetzen. Im ungewissen zu sein, ob man jemals ankommt. Und jetzt kurz vor dem Ort der Verheißung, der Erlösung zu sein. Unfassbar. Der Weg zurück ins Leben. Geliebt und angenommen zu sein. Wieder Teil der menschlichen Gemeinschaft zu sein. Auferstanden von den Toten. So fundamental muss es den Pilgern zu ihrer Zeit ergangen sein. Das war unmittelbar erlebbar. Da gab es keine Grautöne.
Ich machte in Lavacolla nur noch einmal kurz eine Getränkepause, an einem Campingplatz.
Der heiliger Boden. Mit Blut, Schweiß und Tränen getränkt, hält an jeder Ecke für den Pilger eine Geschichte bereit. Mir ging es jedoch einfach nicht schnell genug. Ich konnte es nicht mehr erwarten, da zu sein
Nach dem Frühstück ging es Schlag auf Schlag. Die Kilometer bröselten nur so dahin. Auf jeden Stein standen die Entfernungsangabe nach Santiago auf den Meter genau drauf.
Es dauerte aber eine ganze Weile, bis ich fündig wurde. Ganze 6 Kilometer bis Brea. Als ich weiter gehen wollte, traf ich auf Matthias aus Fulda. Der war jetzt auch noch zu Fuß auf den Weg zurück nach Hause. Meine Hochachtung das muss mal erst mal bringen. Er gab mir auch noch ein paar Tipps.
Ich wollte an der nächsten offenen Bar frühstücken. Das sich hier das Wort Bar eingebürgert hat finde ich Schade. Eigentlich sind es Cantinas.
Ich war der Erste der aufgestanden ist, dabei bin ich gar nicht viel früher raus als sonst. Das hatte ich mir versprochen. Viele Pilger waren noch nicht unterwegs. Ich hielt mich dran.
Orte: Calle, Salceda, Brea, Santa Irene, A Rua, Pedrouzo, Amenal, Lavacolla, San Marcos, Monte do Gozo und
Santiago de Compostela
Etappe von Calle nach Santiago de Compostela, 34 km, reine Gehzeit 7:20 Stunden
Wetter: 9 bis wir 28 Grad. Anfangs leicht bewölkt, aber später strahlend blauer Himmel. Blauer geht nicht
Wollte ich doch auch was essen. Vor allem musste ich einen Flug buchen. Das nahm jede Menge Zeit in Anspruch.
Ich hatte die letzten Tage mich mit Assunta aus Österreich geschrieben. Sie war bereits gestern am Sonntag angekommen. Wir verabredeten uns in einem Pilgercafé. Wie waren glücklich uns nach Monaten wieder zusehen. Wir hatten uns viel zu erzählen. Das Ganze dauerte fast zwei Stunden. Assunta und zog mir ihren neuen Pilgergefährten in ihr Quartier ab. Ich tat es ihr nach.
Ich hatte mich bereits elektronisch angemeldet. Ich kam schnell dran, es war noch nicht viel los. Man staunte nicht schlecht, als ich meine Geschichte vortrug. Gegen einen kleinen Obolus erhielt ich zusätzlich eine persönliche Compostela ausgestellt. Beide Urkunden verpackte ich sorgfältig in eine Papierrolle.
Die Kathedrale ist in dem engen Gassengewirr nicht leicht zu finden. Überall herscht Trubel und Geschäftigkeit. Aber dann stehe ich auf dem Platz vor dem Hauptportal der Kirche. Man hat dieses Motiv so oft schon gesehen, aber es ist wirklich schwer zu fassen, jetzt hier selbst zu stehen. Über mir der blaue Himmel, um mich herum überall strahlende, verschwitzte Gesichter. Ausgelassene Gesänge. Ich fühle mich dazwischen etwas verloren. Ich wende mich ab und suche das Pilgerzentrum auf um meine Urkunde, die Compostela ab zuholen.
Dann machte ich mich auf den Weg in die Altstadt zur Kathedrale. Ich habe nur das Nötigste mit, natürlich meine Credenciale, als Nachweis der Pilgerfahrt.
Ursprünglich wollte ich direkt zur Kathedrale gegangen sein, aber bevor ich keine Unterkunft habe, muss das warten. Ich gehe zu erst zur Herberge in dem alten Pfisterseminar Seminar Menor. Von außen sieht es aus wie ein drei Sterne Hotel. Innen ist es aber schlicht und zweckmäßig eingerichtet und sehr groß. Ich bekomme ein Einzelzimmer für zwei Tage.
Wie ich also so durch die Straßen des modernen Santiago stapfe, kommt mir alles allzu normal vor. Die Menschen empfangen mich nicht mit Palmwedeln, sondern gehen einfach ihren Geschäften nach. Ich bin irritiert.
Ich hatte versucht eine Herberge zu reservieren, wie es mir Matthias empfohlen hatte war aber nicht fündig geworden. Bei der letzten Herberge sagte man mir am Telefon ich sollte einfach vorbeikommen.
Abschied von der Herberge Calle
Gebet meines Polgerschuhs
Guter Gott,
ich bin ganz schön mitgenommen:
Über Stock und Stein bin ich gegangen,
bergauf und bergab.
Manchmal schien das Ziel unerreichbar,
aufgeben wollte ich auch schon einmal,
aber irgendwie ging es dann doch weiter.
Nur nicht stehenbleiben,
dachte ich mir.
Und dann bin, ich tatsächlich angekommen.
Endlich am Ziel.
Welche Wohltat.
Groß war die Freunde.
Ja, es ist schön anzukommen,
beim Wandern - wie im Leben.
Sei du mein Begleiter, Gott,
führe, stärke und halte mich
und schütze den, der in mir steckte.
Amen.